Volkstrauertag Ansprache

von Konstantin Waldherr

Liebe Rohrbacherinnen und Rohrbacher, liebe Teilnehmende,

ich begrüße Sie und euch ganz herzlich zu unserem heutigen Gedenken zum Volkstrauertag auf dem Rohrbacher Friedhof. Wir wollen auch in diesem Jahr gemeinsam trauern und gedenken. Trauern, der vielen Opfer des Krieges, die manch ein Anwesender der heutigen Andacht noch persönlich gekannt hatte; gedenken, aller von Terror, Gewalt und Kriegen dieser Welt betroffenen Menschen- in Vergangenheit und Gegenwart.

Normalerweise leite ich meine Ansprache an dieser Stelle in die Richtung, nochmals explizit die eben beschriebene Bedeutung dieses Tages hervorzuheben.

Aber eigentlich ist es doch so: Wir alle, die am heutigen Morgen, wie in jedem einzelnen Jahr, hier vor dem Denkmal stehen, wissen sehr genau, warum wir heute hier sind.
Und diejenigen, die generell nicht hier stehen, oder bei einer der anderen Gedenkveranstaltungen zum heutigen Tag, nehmen für sich selbst in Anspruch, es genauso gut zu wissen, warum sie es eben nicht tun…Oder?

„Wer mich versteht, dem brauche ich es nicht zu erklären- doch wem ich es erklären muss- der kann mich nicht verstehen.“ …Dieses Zitat lässt sich, gefühlt je älter ich werde, immer häufiger auf so viele verschiedene Situationen anwenden. Und irgendwie passt es auch, wenn ich mit Menschen über den heutigen Tag spreche.
Auf der einen Seite hört man manchmal: „wichtig und richtig“…

Auf der anderen: „Ein Relikt aus alten Tagen mit einer zu militärischen Konnotation“, oder: „ich gedenke lieber an anderen Tagen auf andere Weise“;-> Positionen, mit denen man sich zumindest auseinandersetzen und diskutieren kann!

Dramatisch wird es bei folgender Haltung: der Gleichgültigkeit! Einer Gleichgültigkeit von Menschen, die sich an Frieden, Recht und Freiheit gewöhnt haben, und sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen können, für diese, in unserer Geschichte so langersehnten und unerfüllten Hoffnungen, irgendetwas investieren, oder gar riskieren zu müssen, schon gar nicht Leib und Leben!

Doch der 24.Februar 2022 (Russlands Einmarsch in die Ukraine) und der 07. Oktober diesen Jahres, dessen Bilder uns wohl noch sehr gut vor Augen sind, zeigen uns ganz deutlich auf, (und Sie sehen: nun bin ich doch wieder beim Sinn des heutigen Tages angekommen…) Überall auf der Welt, auch in uns sehr nahen und mit uns befreundeten Demokratien müssen Menschen für ihre Freiheit und ihre Rechte kämpfen; überall existieren Terror, Leid und Unterdrückung! Überall gibt es Trauer und Verzweiflung!

Und wenn ich dann Menschen oder Parteien höre, die die Bedeutung, die Existenz oder die deutsche Zugehörigkeit zu supranationalen Organisationen wie UNO oder EU wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in Frage stellen, die doch so häufig Frieden bringen konnten und immer noch bringen; und wenn es mal nicht gelingt, zumindest bewirken, dass sich Kontrahenten in regelmäßigen Abständen an einen Tisch setzen und miteinander reden, bleibt mir nur ein unverständiges Kopfschütteln.

Ich würde mir wünschen, dass wir wieder ein wenig dankbarer und demütiger werden. Dass wir akzeptieren, dass Freiheit, Recht, Frieden und Demokratie keine Prinzipien sind, die wir auf alle Ewigkeit gebucht haben und nicht mehr verlieren können; dass wir nicht zulassen, dass verhältnismäßig kleinere Probleme in Politik und Wirtschaft dazu führen, die Errungenschaften der letzten sieben Jahrzehnte aufs Spiel zu setzen… denn leider sind wir in mancherlei Hinsicht auf dem besten Wege dahin.
Und bei dieser Rückbesinnung kann uns der Volkstrauertag vielleicht ein bisschen helfen!

Denn sich wirklich auf das Vergangene zu besinnen, heißt im besten Fall aus den Fehlern von früher zu lernen, das Andenken an geliebte Menschen zu bewahren, das Erreichte und Erstrittene sich häufiger vor Augen zu führen und aus diesem Verständnis heraus, sich für Toleranz und Freiheit einzusetzen. Und da, wo wir das nicht können oder es uns nicht gelingt: Zumindest Anteil zu nehmen am Leid der vielen Menschen, die von Gewalt, Krieg und Terror betroffen sind, nicht nur in der Ukraine, in Gaza und in Israel.

VOLKSRAUERTAG – ein Tag der Besinnung, der Anteilnahme, der Erinnerung – ein Tag des Friedens! Hoffentlich irgendwann einmal für alle Menschen …